Unterhalt im Wechselmodell, Teilzeit vs. Vollzeit

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    • Unterhalt im Wechselmodell, Teilzeit vs. Vollzeit

      Hallo zusammen,

      die Mutter meiner Kinder (8 und 10 Jahre alt) und ich sind seit ca. 4 Jahren getrennt, leben von Anfang an das echte 50-50-Wechselmodell und ich zahle seitdem einen selbst berechneten (und einvernehmlich vereinbarten) Unterhalt i. H. v. ~250 € zusätzlich zu beiden Kindergeldern, die meine Ex-Partnerin in voller Höher erhält (und behält). Dass ich überhaupt einen Unterhalt in dieser Höhe zahle, liegt daran, dass ich netto mehr als das Doppelte von ihr verdiene und ich habe damit meinen Frieden gemacht, da es (hoffentlich/vermutlich) den Kindern zugute kommt und ich nicht am Hungertuch nage.
      Mit der neuen DD 2023 kam sie auf mich zu und hat die neuen DD-Werte in unsere private Berechnung eingetragen, die nun einen Zahlbetrag i. H. v. über 400 € ausspuckte und daher regte sie an, das Ganze mal offiziell vom Jugendamt berechnen zu lassen. Zum Verständnis: sie würde dann also 500 € Kindergeld + 400 € von mir erhalten. Mir ist sehr wichtig, dass ich mich ausdrücklich *nicht* vor Unterhaltszahlungen ggü. meinen Kindern drücken möchte, allerdings gibt es bei uns einen Faktor, der die komplette Berechnung sehr zu meinen Gunsten ändern würde und mich interessiert, wie da die offizielle Vorgehensweise ist:

      Meine Ex-Partnerin arbeitet seit jeher nur 28 h, ich seit jeher 40+ h Vollzeit. Auch vor der Trennung habe ich meine Vaterpflichten trotz des Vollzeitjobs wahrgenommen, habe die Kinder regelmäßig in die Kita gebracht / aus der Kita abgeholt, sie zum Sport begleitet und mich gut um sie gekümmert - und das von Herzen gerne! Als ich meine Ex nach der Trennung darauf ansprach, ihre Erwerbsfähigkeit voll auszunutzen, lehnte sie dies vehement ab, mit der Begründung, die höhere Freizeit für die Kinder zu nutzen. Beide Kinder sind in der Schule, beide Kinder sind - in meinem und ihrem Betreuungszeitraum - am Nachmittag im Hort und erst gegen 16 / 16:30 Uhr zuhause. Bislang habe ich das einfach ignoriert, aber mit dem neuen Zahlbetrag frage ich mich, ob das noch fair ist. Dazu las ich, dass in solchen Fällen ein "fiktives Einkommen" angesetzt werden kann, da es auf der Hand liegt, dass sie aus Bequemlichkeit nur 28 h arbeitet und nicht, weil sie die Zeit für die Kinderbetreuung benötigt. Wenn sie das Mehr an Freizeit haben möchte: bitte schön, ihre freie Entscheidung. Aber ich sehe nicht mehr ein, ihr diese Freizeit zu subventionieren und wüsste gerne, ob ich mit dieser Auffassung "recht habe".

      Weiterhin vermute ich ganz stark, dass bei einer Berechnung des Jugendamtes auf solche Feinheiten gar nicht eingegangen wird - oder? Wenn es hart auf hart kommt, könnte ich mich ja einfach weigern, mehr zu zahlen und dann müsste sie das gerichtlich durchsetzen lassen - was ich keinesfalls möchte. Ich würde nur gerne mit guten Argumenten in so eine Diskussion gehen, da sie sehr eigene Vorstellungen von Fairness hat.

      Ich bin sehr auf eure Antworten gespannt und hoffe, dass ich nicht der erste bin, der sich diese Frage stellt.
      Viele Grüße
      Heino
    • Hallo und herzlich willkommen im Forum Heino,

      zuerst mal möchte ich Euch beglückwünschen, dass ihr bisher scheinbar die meist auftretenden Konflikte bei und nach der Trennung offenbar ohne Hilfe von außen einvernehmlich gut lösen konntet und schon einige Jahre erfolgreich ein Wechselmodell lebt.

      Zu Deiner in den Raum gestellten "Problemlage" habe ich folgende Ideen:

      1. Das Jugendamt weigert sich (oftmals), für Eltern bzw. deren Kinder im Wechselmodell, Unterhaltsberechnungen vorzunehmen.
      Bei uns hat es dies - zumindest vor über 10 Jahren - mit dem Argument verweigert, dass sie das nicht dürfen...
      Ihr müsstet also zu einem Anwalt.
      Den meisten Anwälten steht aber nicht der Sinn nach Deeskalation und Beratung der Eltern, so dass es passieren kann, dass ein Streit um Unterhalt tatsächlich vor Gericht landet.
      Bei meinem Mann war dies der Fall. Die Ex verdiente das Doppelte von ihm, zahlte jedoch keinen Cent Unterhalt und erwartete sogar noch, dass mein Mann die Hälfte des Kindergeldes an sie auskehrte (nach Tragung der Fixkosten wie Hortgebühren, Schulessengeld, Schulkosten, Sportverein etc.).
      Am Ende hat die Mutter das Kind so lange manipuliert, bis beide das Wechselmodell einfach gekippt haben.
      Du solltest Dir der Gefahr bewusst sein, dass ein Streit um Unterhalt oftmals ganz andere Ursachen hat und dann auch zu unliebsamen Ergebnissen führen kann.
      Sollte also Deine Ex weiterhin auf Erhöhung des ihrer Meinung nach zustehenden Unterhaltes beharren, wäre es sicherlich zielführender, ihr sucht einen Anwalt mit Zusatzausbildung Mediator aus.

      Leider ist @MaxMustermann gerade nicht so aktiv hier. Der hat auch ein Wechselmodell mit Kindern und könnte Dir sicher bessere Tipps geben.

      Wenn Du Isuv-Mitglied bist, kannst Du Dir auch die kostenlose jährliche schriftliche Rechtsauskunft einholen oder aber eine vergünstigte Kurzrechtsberatung bei einem Isuv-Anwalt in Anspruch nehmen.
      Letzterer könnte Dich auch zur Berechnung und zur Auskehr des Viertels des Kindergeldes (BGH-Beschlussberaten) beraten.

      Nun zum 2.
      Grundsätzlich ist es so, dass beide Eltern im Wechselmodell nicht nur eine vollschichtige Tätigkeit ausüben müssen, sondern eigentlich sogar gesteigert erwerbspflichtig sind.
      Im Streitfall entscheiden dabei Gerichte wohl so, dass dem weniger Arbeitenden fiktiv Einkommen eines Vollzeitjobs zugerechnet wird.
      Bei meinem Mann hat damals die ebenfalls teilzeitarbeitende Ex auch versucht, meinem Mann ein fiktives Gehalt zuzurechnen, wurde aber vom Ergänzungspfleger (den unser Gericht bestellt hatte, nachdem es keinen Antrag auf Übertragung der Sorge für Unterhaltsgeltendmachung bewilligen wollte) mit Verweis auf die eigene, ebenfalls nicht vollschichtig ausgeübten Tätigkeit ausgebremst. Es blieb beim Ansatz der tatsächlichen Einkommen der Eltern.
      Was oftmals vergessen wird: nicht die gesamte Differenz ist auszugleichen.
      Die Berechnung des Bedarfes erfolgt vom Gesamteinkommen der Eltern.
      Auf den so ermittelten Bedarf kommt dann noch der Mehrbedarf für das Wechselmodell (sofern konkret nachweisbar, also z.B. Mehrwohnbedarf, Fahrtkosten) hinzu, das halbe Kindergeld wird abgezogen.
      Die Quote wird berechnet, nachdem vom unterhaltsrelevantem EK des Elternteils der angemessene SB abgezogen wird.
      Nach Errechnen des jeweilg zu tragenden Bedarfes wird dieser noch mal halbiert, da die Eltern jeweils die Hälfte ihrer Verpflichtung durch Betreuung erfüllen. Und nur der Anteil wäre auszugleichen, der dann den Anteil des anderem übersteigt.
      Kompliziert zu beschreiben und vermutlich zu verstehen, deswegen hatte der Isuv-Anwalt Hr. Heinzel in der Verbandszeitschrift mal ein Rechenbeispiel veröffentlicht.

      Schlussendlich muss Man sich immer überlegen, ob ein paar Euro mehr oder weniger den Stress wert sind und die Probleme nicht anders gelöst werden können.

      Mein Ex und ich haben - mit einem Kind im Wechselmodell - es tunlichst vermieden, "professionelle Kindeswohlvorsichhertrager" zu involvieren. Natürlich hatten auch wir Auseinandersetzungen. Wenn man im Blick behält, was noch hinter finanziellen Forderungen stecken kann, findet man vielleicht kreative eigene Wege und kann das so gesparte Geld eher in der Familie verbraten.
      Ich habe z B. an den Ex für das WM-Kind keinen Unterhalt gezahlt, dafür aber alle Kosten die immer anfielen (Schule, Klamotten, Handy, Hobby) übernommen, so dass jeder nur noch die bei ihm anfallenden Essenskosten zu tragen hatte.
      Auch für das andere Kind im Residenzmodell haben wir fern ab von JA oder Anwälten eine abweichende Lösung gefunden.

      Wenn bei Euch seit vielen Jahren WM erfolgreich gelebt wird, solltet ihr tatsächlich eher eine Beratung in Betracht ziehen.
      Möglicherweise ist auch die Ex und im blödesten Fall sogar die Kinder mit irgendwas im WM unzufrieden.
      Wenn ich eines gelernt habe, dann dies: auch ein WM erfordert nicht nur enorme Anpassungsleistungen von allen (!) Beteiligten, sondern es ist auch nicht statisch!

      Viel Glück für eine gute Lösung!
      Gruß Tanja
    • Liebe Tanja,

      vielen Dank für deine umfangreiche Antwort und den Zuspruch.

      Auch ich habe wirklich absolut kein Interesse daran, unser einvernehmliches Modell, in das sich auch die Kinder wunderbar eingefunden haben, in irgendeiner Form vor Gericht zu bringen - schon der Gedanke daran lässt mich schaudern. Für mich ist aber ein Punkt erreicht, an dem ich mich wirklich unfair behandelt fühle und mir Unterstützung suchen will.

      EDIT: Die generelle Berechnung des Kindsunterhalts im WM ist mir geläufig, denke ich, da ich mich nach der Trennung intensiv damit auseinandergesetzt habe. Daher gibt es auch unsere private Berechnungstabelle, die ich selber erstellt habe. In dieser habe ich das "fiktive Einkommen" meiner Ex aus Gründen des Friedens jedoch außen vor gelassen und war der Annahme bzw. fand es für meine Ex ausreichend, dass das Kindergeld 2023 deutlich angestiegen ist, so dass gesteigerte Lebenshaltungskosten damit kompensiert werden. Aber nein, es reicht ihr eben nicht. Und ja, ich bin voll bei dir, dass man sich gut überlegen sollte, ob die "paar Euro mehr oder weniger" den Stress wert sind und das war die letzten vier Jahre exakt mein Motto. Ich bin allerdings der Meinung, dass unser finanzielles Modell schon seit Jahren deutlich zur ihren Gunsten ausfällt und nun ist eine rote Linie erreicht. Wenn ich mich so im Freundes- und Bekanntenkreis umschaue, die in ähnlichen Situationen sind, ernte ich immer erstaunte Blicke, was sie von mir an Kohle erhält ...

      Ich nehme daher deinen Rat an und werde mir wohl eine Isuv-Mitgliedschaft "gönnen". Nächsten Dienstag erwarte ich zunächst den Anruf eines Anwalts aus Düsseldorf, der sich auf Unterhaltsfragen im Wechselmodell spezialisiert hat und bin gespannt, was er mir zu erzählen hat. Danach entscheide ich über die nächsten Schritte.

      Ich halte euch auf dem Laufenden!

      Viele Grüße
      Heino

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Heino123 ()

    • Hallo Heino,

      Ich verstehe Deinen Ärger und halte ihn durchaus für berechtigt.
      Ich wollte nur darauf hinweisen, dass der Versuch des Zurechnens eines fiktiven Einkommens auch dergestalt Früchte tragen könnte, dass die KM das Wechselmodell aufkündigt oder im von ihr initiierten Unterhaltsverfahren andere Betreuungsanteile behauptet (das mütterlastige JA lässt sich gern von sich als arm und alleinerziehend darstellenden Müttern vor deren Karren spannen...).
      Bei meinem Mann folgte erst die Aufkündigung (nachdem die Ex das Kind lange genug vorher bearbeitet hatte) und anschließend mit Hilfe vom JA die gesamte Gerichtslawine.
      Ich habe inzwischen mit einigen Abstand eine ganz eigene Meinung zu derart agierenden "Elternteilen" (und eine wirklich schlechte Meinung vom JA).
      Mein Mann hat seit nunmehr fast 10 Jahren keinen Kontakt mehr zu seinem Kind - obwohl es vorher ein Wechselmodell gab.
      Man kann also vorher nie wirklich wissen, in welche Richtung das Schiff schlingert.

      Deswegen lieber gemeinsame Mediation (okay, ich muss fairerweise sagen, dass mein Mann auch eine bezahlt hat, die im Ergebnis umsonst - nein, definitiv nicht kostenlos - war. Bei "verhaltensoriginellen" Elternteilen ist sowas vermutlich immer aussichtslos...).
      Wovon ich noch abrate, sind anwaltliche Schriftsätze.

      Du schreibst, dass Du Dich mit der Berechnung auskennst - hast Du auch das mit dem Betreuungs- und Barzahlungsteil berücksichtigt?
      Ich wundere mich, dass dann Tatsache eine so hohe Differenz rauskommen soll.
      Bei meinem Mann bewegte sich das damals so zwischen 55 und 75 Euro, was er eigentlich bekommen sollte - die Ex hatte das Doppelte EK...
      Natürlich ist es ein Unterschied, ob man 2.tsd und 4tsd oder 3tsd und 6tsd hat...

      Bitte hab im Blick, wenn sie es schafft, das WM zu kippen, kann sie (schon bei einem Betreuungsanteil von nur 5% mehr, also sie 55, Du 45) den vollen Kindesunterhalt nach Deinem unterhaltsrelevanten EK beanspruchen.
      Sie kann dann so wenig oder so viel arbeiten, wie sie will, Du musst darüber hinaus noch zusätzlich quotiell den Hort als Mehrbedarf übernehmen und sie hat trotzdem das ganze Kindergeld.
      Für einige Eltern sind Kinder nach einer Trennung leider auch "Finanzierungshilfe".

      Deswegen schau bitte beim Beratungsgespräch gut hin, bzw. hör gut zu.
      An Elternstreits verdienen vor allen Dingen Anwälte, Gutachter und andere "Kindeswohlwächter". Verlieren tun vor allen Dingen die Kinder.

      Versteh mich bitte nicht falsch. Ich heiße das Verhalten Deiner Ex nicht gut. Wenn sie aber keine Vernunft walten lässt, bist ausschließlich Du derjenige, der von den Kids weiteren (Trennungs)Schaden fern halten kann.

      Gruß Tanja